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Verfügung über das Siegel- und Beglaubigungsrecht kirchlicher Körperschaften des öffentlichen Rechts

Vom 8. Januar 1991

KABl. 1991, S. 4

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A. Verwendung des Kirchensiegels im kirchlichen Bereich

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Zur Ausübung ihrer Rechte nach Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137 Weimarer Reichsverfassung führen die kirchlichen Körperschaften und ihre Organe ein Siegel, das vorwiegend zur Verwendung im innerkirchlichen Bereich bestimmt ist. Die Verwendung des Kirchensiegels ist in folgenden kirchlichen Angelegenheiten vorgesehen (§ 5 der Rechtsverordnung über das kirchliche Siegelwesen in der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers ›Siegelordnung‹ vom 24. März 1968 – Kirchl. Amtsbl. S. 101 – mit den Änderungen vom 25. Februar 1985 – Kirchl. Amtsbl. S. 40 – und vom 30. März 1989 – Kirchl. Amtsbl. S. 31, RS Nr. 90-7) bei
  1. der Ausstellung von Urkunden, durch die Rechte oder Pflichten begründet, anerkannt oder verändert werden sollen,
  2. der Erteilung von Vollmachten,
  3. amtlichen Auszügen aus Kirchenbüchern und Protokollbüchern,
  4. der Beglaubigung von Abschriften von Urkunden und sonstigen Schriftstücken,
  5. Schriftstücken von besonderer Wichtigkeit und
  6. in anderen Fällen, wenn es durch kirchliche und staatliche Vorschriften angeordnet oder anerkannt ist oder der herkömmlichen Übung entspricht. (So sind z. B. nach § 49 Abs. 2 und 3 Kirchengemeindeordnung Erklärungen des Kirchenvorstandes durch die für die Kirchengemeinde oder eine örtliche kirchliche Stiftung Rechte oder Pflichten begründet, verändert oder aufgehoben oder durch die Vollmachten erteilt werden, von dem Vorsitzenden oder dessen stellvertretenden Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied des Kirchenvorstandes gemeinsam und schriftlich abzugeben. Sie sind, sofern sie nicht öffentlich beurkundet werden, nur rechtsverbindlich, wenn sie eigenhändig unterschrieben und mit dem Siegel der Kirchengemeinde oder des Pfarramtes versehen worden sind.)
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B. Verwendung von Kirchensiegeln im staatlichen und privaten Bereich

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Nach den §§ 33 und 34 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) vom 25. Mai 1976 – Bundesgesetzbl. I S. 1749 – wird die Vornahme amtlicher Beglaubigungen von Abschriften oder Unterschriften durch kirchliche Körperschaften im außerkirchlichen Bereich nicht vorgesehen. Auch wenn mit Kirchensiegeln versehene Beglaubigungen außerkirchlich anerkannt werden, sollten sie aus folgenden Gründen mit Zurückhaltung erfolgen:
  1. Die Beglaubigung von staatlichen oder privaten Urkunden oder Unterschriften gehört in der Regel nicht zum pfarramtlichen Auftrag.
  2. Bei der Siegelführung und Vornahme von Beglaubigungen sind die Bestimmungen dieser Verfügung zu beachten.
  3. Bei der Vornahme von Beglaubigungen ist zu bedenken, dass die in Niedersachsen herrschende Anerkennungspraxis nicht im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt.
  4. Bei unrichtigen Beglaubigungen (z. B. durch Täuschung oder Irrtum) sind Haftungsrückgriffe gegenüber dem Aussteller der Beglaubigung möglich.
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C. Vorgehen bei Beglaubigungen

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Bei jeder Beglaubigung sind die nachfolgenden Regelungen zu beachten:
  1. Bei Beglaubigungen im kirchlichen Bereich ist zuvor zu prüfen:
    1. Handelt es sich um eine kirchliche Angelegenheit?
    2. War zur Regelung der Angelegenheit eine Beschlussfassung des Kirchenvorstandes erforderlich?
    3. Ist diese Beschlussfassung ordnungsgemäß im Kirchenvorstand erfolgt?
    4. Handelt es sich bei dem zu verwendenden Siegel tatsächlich um das Siegel der betroffenen Kirchengemeinde? Hier kann insbesondere bei mehreren unter einem Pfarramt verbundenen Kirchengemeinden versehentlich das Siegel mit dem einer nicht betroffenen Kirchengemeinde verwechselt werden.
  2. Bei Siegelungen im staatlichen und privaten Bereich ist zu prüfen:
    1. bei Beglaubigungen von Unterschriften:
      Die Beglaubigung von Unterschriften darf nur erfolgen, wenn die Beglaubigung ganz dringend erforderlich ist, eine Beglaubigung durch eine anderweitige Stelle nicht möglich oder jeder Zweifel an der Identität des Unterzeichnenden ausgeschlossen ist unter folgenden Voraussetzungen:
      • Die zu beglaubigende Unterschrift muss in Gegenwart des beglaubigenden Pfarrers oder Siegelführungsberechtigten vollzogen werden.
      • Der Unterzeichnende muss sich durch Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Passes legitimieren oder persönlich hinreichend bekannt sein.
      • Die Beglaubigung von Blankounterschriften (ohne zugehörigen Text) ist nicht zulässig.
      • Besteht das unterzeichnete Schriftstück aus mehreren Blättern, so sind diese fest miteinander zu verbinden, dass ihre Trennung ohne merkbare Beschädigung nicht möglich ist. Sie sind an der Verbindungsstelle zu siegeln; im Beglaubigungsvermerk ist die Anzahl der Blätter anzugeben. Der Beglaubigungsvermerk muss die Dienststelle angeben, bei der die Beglaubigung vorgelegt werden soll.
      • Die Beglaubigung von Unterschriften, die der öffentlichen Beglaubigung (§ 126 BGB) bedürfen, ist unzulässig.
      • Der Empfänger der Beglaubigung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Gewähr dafür übernommen wird, dass die Beglaubigung in jedem Fall von staatlichen oder sonstigen außerkirchlichen Stellen anerkannt wird.
      • Eine Abschrift oder Kopie des vollen Umfangs des beglaubigten Schriftstücks einschließlich des Beglaubigungsvermerks in seinem vollen Wortlaut ist in eine besonders zu führende Akte aufzunehmen.
      • Bei Unterschriftsbeglaubigungen soll folgendes Muster als Beglaubigungsvermerk verwendet werden:
        „Die vorstehende Unterschrift ist von

        (Vornahme, Familienname, ggf. Geburtsname)
        wohnhaft in


        (Ort, Straße und Hausnummer)
        persönlich bekannt/ausgewiesen durch

        (Personalausweis oder Pass, Ausstellungsdatum, Aussteller, Ausweisnummer)
        vor mir vollzogen worden. Dies wird hiermit beglaubigt, die Blattzahl des Schriftstückes beträgt . Die Bescheinigung wird nur zur Vorlage bei

        (Behörde oder Stelle)
        erteilt.
        , den
        (Siegel)

        (Siegelführende Dienststelle und Unterschrift)“
    2. bei Beglaubigung von Abschriften oder Kopien:
      • Abschriften dürfen nicht beglaubigt werden, wenn das Original nicht vorliegt, sondern lediglich eine Kopie oder Abschrift des Originals.
      • Abschriften dürfen nicht beglaubigt werden, wenn Umstände zu der Annahme berechtigen, dass der ursprüngliche Inhalt des Schriftstückes, dessen Abschrift beglaubigt werden soll, geändert worden ist. Das gilt insbesondere, wenn das Schriftstück Lücken, Durchstreichungen, Einschaltungen, Änderungen, unleserliche Worte, Spuren der Beseitigung von Wörtern, Zahlen oder Zeichen enthält, oder wenn der Zusammenhang eines aus mehreren Blättern bestehenden Schriftstückes aufgehoben ist (§ 33 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz).
      • Besteht die Abschrift aus mehreren Blättern, so sind diese so fest miteinander zu verbinden, dass ihre Trennung ohne merkbare Beschädigung nicht möglich ist. Die Blätter sind an der Verbindungsstelle zu siegeln; im Beglaubigungsvermerk ist die Anzahl der Blätter anzugeben.
      • Die Bestimmungen über die Beglaubigung öffentlicher Urkunden, die zum Gebrauch im Ausland der Legalisation bedürfen, bleiben unberührt.
      • Der Empfänger der Beglaubigung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Gewähr dafür übernommen wird, dass die Beglaubigung von staatlichen oder sonstigen außerkirchlichen Stellen anerkannt wird.
      • Eine Abschrift oder Kopie der vollständigen beglaubigten Schriftstücke mit dem vollständigen Beglaubigungsvermerk ist in eine gesondert zu führende Akte aufzunehmen.
      • Bei Beglaubigungen von Abschriften oder Kopien soll folgendes Muster als Beglaubigungsvermerk verwendet werden:
        „Hiermit wird amtlich beglaubigt, dass die vor/umstehende Abschrift/Ablichtung mit der vorgelegten Urschrift/beglaubigten Abschrift/Ablichtung der/des

        (genaue Bezeichnung des Schriftstückes)
        übereinstimmt.
        Die Blattzahl des beglaubigten Schriftstückes beträgt
        Die Beglaubigung wird nur zur Vorlage bei

        (Behörde oder Stelle)
        erteilt.
        , den
        (Siegel)

        (Siegelführende Dienststelle und Unterschrift)“
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D. Gebühren für Beglaubigungen von Abschriften, Kopien oder Unterschriften

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Für Beglaubigungen sollen grundsätzlich Gebühren erhoben werden. Ihre Höhe richtet sich nach der Gebührentafel der „Rechtsverordnung über die Gebühren für die Benutzung kirchlicher Archive einschließlich der Ausstellung von Auszügen aus Kirchenbüchern (Gebührenordnung)“ vom 21. Juli 1980 – KABl. S. 111 – unter Berücksichtigung der Änderungen durch die Rechtsverordnung vom 2. Februar 1987 – KABl. S. 36, Rechtssammlung Nr. 90-8 – in ihrer jeweiligen Fassung.
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E. Behandlung kirchlicher Beglaubigungen durch Verwaltungsbehörden im Lande Niedersachsen

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Das Niedersächsische Kultusministerium hat in seiner Bekanntmachung vom 24. Oktober 1990 – 2071-54001 B II – (Nieders. Ministerialbl. Nr. 37/1990 S. 1271) die Behandlung kirchlicher Beglaubigungen durch Verwaltungsbehörden im Lande Niedersachsen geregelt. Nachstehend geben wir diese Bekanntmachung zur Kenntnis:
Bek. d. MK v. 24. 10. 1990 – 2071-54001 B II –
Zur Behandlung kirchlicher Beglaubigungen durch Verwaltungsbehörden im Lande Niedersachsen ist zwischen dem Kultusministerium und dem Rat der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen ein Schriftwechsel erfolgt. Als Ergebnis bleibt danach festzustellen:
In der Vergangenheit sind im Zusammenhang mit der Entgegennahme und Verwendung von kirchlichen Beglaubigungen bei Verwaltungsbehörden im Lande Niedersachsen Schwierigkeiten nicht bekannt geworden. Es kann von einer insgesamt reibungslosen und bewährten Verwaltungspraxis ausgegangen werden.
Grundsätzlich gibt es auch keine Regelungen, die den Verwaltungsbehörden im Lande Niedersachsen die Entgegennahme und Verwendung kirchlicher Beglaubigungen verwehren. Abgesehen davon, dass §§ 33, 34 VwVfG lediglich Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen bzw. Regelungen über den Inhalt des Beglaubigungsvermerks und keine Regelungen zum Beweiswert von Beglaubigungen enthalten, steht insbesondere § 2 Abs. 1 VwVfG der geschilderten Verwaltungspraxis nicht entgegen. Die letztgenannte Vorschrift soll lediglich vermeiden, dass den Kirchen für deren internes Verwaltungsverfahren das staatliche Verfahrensrecht aufgedrängt wird.
10 Von Personenstandsurkunden, die jederzeit beschaffbar sind, sollen keine Abschriften beglaubigt werden (vgl. Nr. 2 des Gem. RdErl. des MI, der StK und der übrigen Ministerien vom 10. 3. 1977, Nds. MBl. S. 318 – GültL. MI 2/31).